Parallelwelten

10. Dezember 2020

Alles begann an einem kalten, grauen und regnerischem Winteratg in einem sonst normalen November. Die Wolken hängen tief, es regnet und soll auch für Tage nicht aufhören. Unser Protagonist kämpft sich, wie jeden Tag, durch die rush-hour zur Arbeit. Er ist ein einfacher Angestellter in einer rennomierten Firma im Finanzsektor in einer bekannten amerikanischen Großstadt. Ein kleines Rad im endlosen Getriebe der Finanzwirtschaft. Dennoch geht es ihm ganz gut - abgeschlossenes Studium im Informationssektor, ein sicherer, gut bezahlter Job, Frau und Kind sowie regelmäßige Arbeitszeiten sorgen für ein lebenswertes Leben. Eines Tages Anfang der 90er, beflügelt ihn eine findige Idee, welche sein Leben umkrempeln sollte. Er denkt darüber nach,  Produkte im Internet zu verkaufen.

Anfang der 90er - Windows NT läuft auf den Rechnern, Helmut Kohl ist Bundeskanzler, IBM  hat im Vorjahr einen Verlust  von fast 5 Mrd. USD verkündet, Kurt Cobain stirbt und Der König der Löwen kommt in die Kinos - ein Bild aus den Anfängen der globalen Ausbreitung vom Internet. Die wenigen, die bereits Kontakt mit dem Internet hatten, wählen sich über ein einfaches 56k Modem ein, das AOL Fenster ploppt auf und man hört Piep-, Knack- und Rauschlaute. Das Internet ist langsam, teuer und wird kaum genutzt - nicht nur weil im Minutentakt abgerechnet wird. Setzt sich eh nicht durch dieses Internet.

In dieser Umgebung möchte er seine Produkte an den Mann bringen - ein fast wahnwitziges Unterfangen. Wer sollte denn seine Produkte überhaupt sehen, geschweige denn kaufen? Bezahlen über das Internet ist noch Jahre von PayPal und Sofortüberweisung entfernt.  Er programmiert sienen eigenen Onlineshop um seine Produkte zu vermarkten. Für die Konkurrenz deutet alles auf einen großen Flopp hin. Mitstreiter belächeln seine Idee, machen sich lustig und nehmen ihn nicht ernst. Nie könne er über das Internet die richtige Kundengruppe erreichen, sie ansprechen und dann noch überzeugen seine Produkte zu kaufen. 

Noch ist er unbekannt, hat kaum Reichweite und kann sich angeblich nicht durch die Riesen der Branche durchsetzen. Diese haben ja viel mehr Erfahrung, Angestellte, Reichweite, Resumée, Budget, etc. pp. Doch sie haben eines nicht: einen innovativen Blick auf langfristige Entscheidungen für das eigene Unternehmen. Den konsequenten Drang zu innovieren, zu verbessern, standardisierte Prozesse und Methoden zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern. Es braucht Mut, andere Wege zu gehen. Und so verkaufte unser Protagonist schon kurze Zeit nach der Gründung sein erstes Produkt online. Entgegen der Erwartung war es nichtmal ein Produkt welches für die breite Masse gedacht war. Es war ein Buch in einem fachwissenschaftlichen Bereich über die Modellierung von Denkkonzepten und die Übertragung in Computermechanismen. Ein Nischenprodukt, ein einzelnes Buch an einen einzigen Kunden.

Doch es spricht sich rum. Produkte online bestellen - nicht im Laden, nicht per Telefon und nicht per Fax. Ein Novum, welches rasch andere Kunden nach sich zieht. Es werden weitere Bücher verkauft, erst im Anfangs-Staat und im ersten Jahr noch in alle 50 Staaten von Amerika. Und selbst zu diesem Zeitpunkt wurde er von den Branchenriesen belächelt. Sie ignorieren den Erfolg und sahen nicht das Wesentliche - dass Kundenorientierung und eine dringend notwendige Innovierung veralteter Vertriebskanäle unabdingbar für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg sind.

Der Onlineshop wächst und es werden mehr Bücher denn je verkauft. Er schafft es durch geschicktes wird neuer Branchenriese und schluckt die Konkurrenten, die ihn vorher müde belächelten. Durch den Onlinezugang hatten alle Kunden jederzeit Zugang zum Angebot, ohne dauerhaft akive Vertriebsabteilungen. Es mussten keine Nachfragen beantwortet, Verpackungen und Versand geklärt, sowie Preise berechnet oder recherchiert werden. Der Kunde sieht, der Kunde informiert sich selbst, der Kunde kauft. Diese eingesparten Ressourcen zusammen mit dem unglaublichen Interesse ermöglichten Investitionen an anderer Stelle. Neue Lagerhallen an verschiedenen Standorten wurden gebaut und dadurch die Reichweite erhöht und gleichzeitig Versandzeiten und -kosten verringert. Stets mit dem Blick auf langfristige und zukunftsorientierte Lösungen.

Die Idee und sein Onlineshop verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Jeder umgesetzte Verdienst wird investiert, stets mit dem Blick wie man langfristig agieren möchte. Bald werden nicht mehr nur Bücher verkauft, sondern schlichtweg alles. Es wird nicht nur staatenweit sondern global verkauft. Er bewies in der Anfangszeit des Internets den richtigen Riecher für langfristige Entscheidungen. 

Vielleicht hast du es mittlerweile bereits erraten um welche Person es sich handelt. Er ist heute der weltweit reichste Mann und hat mit seinem Innovationsdrang und seiner ständigen Weiterentwicklung den Onlinemarkt nicht nur erobert sondern eine Monopolstellung erwirtschaftet. Unser Protagonist ist Jeff Bezos von Amazon.

Und jetzt kommt der Wendepunkt unserer Geschichte. Tausche Bücher gegen Stahl aus. Du wirst feststellen, dass viele Parallelen gezogen werden können, wodurch die Geschichte in einem anderen Licht erscheint. Denn dein Stahl kann und wird in Zukunft online vertrieben werden. Du selbst stehst heute an der Schwelle, zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen. Du gehst deinen eigenen Weg und triffst die Entscheidungen, die dein Unternehmen voranbringen. Dein Erfolg ist nicht von anderen abhängig sondern von den Entscheidungen die du heute triffst.

Nicht nur konkurrenzfähig zu bleiben sondern die Konkurrenz meilenweit abzuhängen. Das ist das Ziel, welches du mit der Onlinevermarktung von Stahl vor Augen haben kannst. Stell dir die Frage, wie Stahl in 5, 10, 30 Jahren verkauft und gehandelt wird. Wenn Fax, Rücksprachen und lokale Einkäufe vor 30 Jahren schon überholt waren, wird die Zukunft für diese Kanäle nicht rosiger aussehen. Skeptiker gibt es überall doch sie werden im digiatlen Wandel auf der Strecke bleiben. Sie nutzen die Chancen nicht, die ihnen wortwörtlich vor der Nase liegen.

Auch der Geschäftsführer der IKB Deutsche Industriebank Frankfurt Dr. Heinz-Jürgen Büchner stellt in seinem Vortrag "Vokswirtschaftliche Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Stahlmärkte" fest, dass die Zeiten sich ändern "Die Digitalisierung des Stahlhandels steht erst am Beginn einer dynamischen Entwicklung. [...] Wie auch in anderen Handelssegmenten, dürften auch hier letztendlich die Kunden diejenigen sein, die den Trend zur Digialisierung vorantreiben." Und die Kunden sind 2020 und auch in Zukunft diejenigen, die ihre Produkte, Dienstleistungen und Handelsgüter online beziehen. 

Anhand dieser Tabelle lässt sich die prognostizierte Entwicklung innerhalb der nächsten 5 Jahre ansatzweise vorhersagen. Dort ist eine Trendwende zu erkennen. Kunden die digitale Möglichkeiten gar nicht nutzen (46%) werden zu Kunden, die digitale Wege sehr intensiv bis weniger intensiv nutzen! Lediglich eine Gruppe von 2% wird digitale Vertriebskanäle ablehnen. Dadurch ergeben sich für digitale Vertriebswege vom Stahlhändler zum Endkunden neue Anforderungen. 

Auf zwei Zitate, die diese neuen Anforderungen verdeutlichen und den Kunden und dessen Anforderungen in den Fokus rücken möchte ich am Ende dieses Blogeintrags noch eingehen.

 

"Ändere dich, bevor du es musst." - Jack Welch, Manager, CEO General Electric

"Wenn man einen Blick in die Zukunft wagen möchte, sollte man zunächst einen Blick in die Vergangenheit werfen." - Frank Romweber, CEO omnoto

 

Diese Aussagen machen zwei Sachen eindringlich deutlich. Veränderung ist unabdingbar und wird kommen und es ist notwendig, Parallelen aus der Vergangenheit zu erkennen und aus Fehlern - aber auch Erfolgsgeschichten - zu lernen und diese in der Gegenwart anzuwenden. Ziel ist eine langfristige Planung, Chancen der digitalen Vertriebskanäle im Stahlhandel zu nutzen um den veränderten Anforderungen der Kunden gerecht zu werden.

 

Credits:

Header von Jason Leung auf unsplash

Grafik angelehnt an den Vortrag "Vokswirtschaftliche Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Stahlmärkte" von Dr. Heinz-Jürgen Büchner